Inhalt des Artikels
- 1 Was genau sind (freie) Radikale?
- 2 Wann entsteht oxidativer Stress?
- 3 Wie gefährlich sind freie Radikale und oxidativer Stress?
- 4 Gewebeschäden durch freie Radikale: Ursache oder Folge?
- 5 Antioxidantien als „Radikalfänger“?
- 6 Lässt sich oxidativer Stress messen?
- 7 Wenn Pro- und Antioxidantien aus dem Gleichgewicht geraten
- 8 Wie sinnvoll sind antioxidative Therapien?
- 9 Hilft Nahrungsergänzung mit Antioxidantien?
- 10 ORAC & Co: Was sagt die „totale antioxidative Kapazität“ aus?
- 11 Sind Antioxidantien für Sportler notwendig?
- 12 Zusammenfassung & Empfehlung
Was genau sind (freie) Radikale?
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Wann entsteht oxidativer Stress?
Unsere Zellen haben eine umfassende Palette an antioxidativen Abwehrmechanismen entwickelt, um die Bildung freier Radikale zu verhindern oder ihre schädlichen Auswirkungen zu begrenzen. Dazu gehören Enzyme zur Zersetzung von Peroxiden, Proteinen zur Sequestrierung bzw. Abkapslung von Übergangsmetallen und einer Reihe von Verbindungen, um freie Radikale „einzufangen“. Kommen Radikale jedoch im Übermaß vor, führt die zu einer Überforderung der normalen Reparatur- und Entgiftungsfunktion einer Zelle, was wiederum oxidativen Stress verursacht. Zu den Folgen des oxidativen Stresses zählen die Lipidperoxidation (erzeugt Schäden direkt an den zellulären Membranen), die Proteinoxidation (molekulare Veränderungen an Proteinen, die zu weitreichenden Veränderungen in ihrer Struktur und Schäden führen kann), sowie die Schädigung der DNA. Freie Radikale, etwa ROS, die sich u.a. durch UV-Strahlung, Röntgen- und andere ionisierende Strahlung, Schadstoffe aus der Umwelt etc. bilden und oxidativen Stress verursachen, gelten nicht nur mitverantwortlich für das Altern, sondern werden auch in Zusammenhang mit der Entstehung einer Reihe von Krankheiten gebracht. Eine ebenfalls hochreaktive Verbindung stellt die „Reaktive Stickstoffspezies“ (RNS) dar, welche jedoch kein freies Radikal ist. Bei RNS handelt es sich um hochreaktive Stickstoffverbindungen, die ebenfalls an einer Reihe physiologischer, aber auch pathophysiologischer Prozesse (Pathophysiologie = Lehre von den krankhaft veränderten Körperfunktionen) beteiligt sind. Während reaktive Sauerstoffspezies oxidativen Stress bewirken, verursachen reaktive Stickstoffspezies nitrosativen Stress (auch „Nitrostress“ genannt). Hierbei kommt es zu einer überschießenden Bildung des Radikals Stickstoffmonoxid und seiner Folgeprodukte, welche wiederum letztendlich die Entstehung von Stoffwechselfehlsteuerungen bewirken können. Nitrosativer Stress kann u.a. durch Infektionen, Toxine, Chemikalien, Stress, Ernährung, Ozon, Radioaktivität und Schwermetalle ausgelöst werden. An dieser Stelle sei zu betonen, dass sowohl reaktive Sauerstoffspezies (ROS), als auch reaktive Stickstoffspezies (RNS) Produkte des normalem Zellstoffwechsels sind. ROS und RNS sind dafür bekannt, als sekundäre Botenstoffe zu agieren, die verschiedene normale physiologische Funktionen des Organismus kontrollieren und ihre Produktion durch unterschiedliche Mechanismen daher streng reguliert ist. Darüber hinaus sind ROS und RNS an verschiedenen redox-regulatorischen Mechanismen von Zellen beteiligt, um diese vor oxidativen Stress zu schützen und die zelluläre „Redox-Homöostase“ (Gleichgewicht zwischen oxidativem Stress und antioxidativer Kapazität) aufrechtzuerhalten. Allerdings resultiert eine Überproduktion von ROS in oxidativem Stress – einem schädlichen Prozess, der ein wichtiger Mediator von Schäden an Zellstrukturen und folglich verschiedenen Krankheitszuständen und Alterungsprozessen sein kann. Ein ständig erhöhter Radikalpegel und permanenter oxidativer Stress kann in der Tat krank machen. Ob Radikale eher schaden oder nutzen kommt also auf ihr Ausmaß an. Ganz getreu dem oft zitierten Ausspruch von Paracelsus, einem bedeutenden Arzt und Naturforscher, der von 1493-1541 lebte:„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei.“Obwohl ROS und RNS (in niedrigen/moderaten Konzentrationen) durchaus positive und gar schützende Effekte auf den Organismus haben, stehen sie häufig vorwiegend als unerwünschte und schädliche Nebenprodukte des Zellstoffwechsels im Fokus. Insbesondere in der Vermarktung von bestimmten Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln bedient sich das Marketing gerne geflügelter Begriffe, wie „Superfoods“ und „Antioxidantien“, die vor freien Radikalen, oxidativem Stress, dem Altern und diversen Krankheiten schützen sollen. Der Griff ins Drogerieregal wird als einfache und effektive Lösung angepriesen, den freien Radikalen Herr zu werden. Doch kann die Lebensmittel-Industrie ihre Werbeversprechen überhaupt halten? Wie gefährlich ist oxidativer Stress eigentlich? Hilft die Nahrungsergänzung mit Antioxidantien? Müssen Sportler ihre antioxidative Abwehr durch Supplemente stärken? Und was kann man eigentlich selbst tun?
Wie gefährlich sind freie Radikale und oxidativer Stress?
Freie Radikale und oxidativer Stress wurden in der Vergangenheit mit verschiedenen pathologischen Zuständen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, neurologischen Erkrankungen, Diabetes mellitus, Ischämie (Durchblutungsstörungen), diversen weiteren Krankheiten und dem Altern in Verbindung gebracht. Auch wenn kein einzelnes Review (und schon gar keine Einzelstudie) auf alle Erkrankungen und Xenobiotika (körperfremde Substanzen) eingehen kann, die mit freien Radikale assoziiert werden, sollen in diesem Artikel zwei Reviews vorgestellt werden.Review 1
Im Review „Free radicals and related reactive species as mediators of tissue injury and disease: implications for Health“ aus dem Jahre 2015 wurde der Einfluss von freien Radikalen auf Krebs, das Immunsystem und entzündliche Prozesse, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und das metabolische Syndrom unter die Lupe genommen. Krebs Freie Radikale, chemisch oder enzymatisch erzeugt, sind in der Lage, die DNA – sowohl in vitro („im Glas“), als auch in vivo („im Lebenden) – oxidativ zu modifizieren. Obwohl eine direkte Verbindung zwischen oxidativ modifizierter DNA und Krebs nicht verfügbar ist, gibt es einen erheblichen Support, dass freie Radikale eine Rolle bei der Karzinogenese (Tumortentwicklung) spielen. Indirekte Evidenz, dass ROS eine Rolle in der Karzinogenese spielen, liegt aus der langjährigen Assoziation zwischen Krebs und mehreren genetischen und chronisch entzündlichen Erkrankungen vor. So haben beispielsweise Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Darmkrebs und Patienten mit Leberzirrhose ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Leberkrebs. Jedoch sei unklar, ob eine Entzündung allein (z.B. durch die Bildung von ROS- und Oxidationsprodukten) ausreichend ist, um die Entstehung und Bildung von Krebs zu fördern (ähnlich einem vollständigen Karzinogen) oder ob ein anderer karzinogener Stimulus beteiligt sein muss. Trotzdem wird allgemein angenommen, dass UV-Strahlung (sowohl UVB, als auch UVA) ein komplettes Karzinogen ist und dass die photochemische ROS-Bildung ein wichtiger Faktor für Krebs ist. Eine chronische Reizung an jeglicher Gewebestelle erhöht dort das Krebsrisiko. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind wie üblich komplex und umfassen sowohl entzündliche Zellen, als auch entzündliche Mediatoren. Entzündliche Zellen geben ROS und RNS, sowie zahlreiche Signalisierungsmoleküle frei, die Signalwege beeinflussen, welche an entzündlichen Reaktionen und bei der Kontrolle von Proliferation (schnelles Wachstum bzw. Vermehrung von Gewebe) und Apoptose (eine Form des programmierten Zelltods) beteiligt sind. Es liegen starke Argumente dafür vor, dass ROS-Arten wichtig bei der Tumorförderung sind und in Kombination mit ionisierender Strahlung oder metabolischer Aktivierung verschiedener Xenobiotika initiale Faktoren sein können. Die Mechanismen, mit denen ROS die Tumorentstehung beeinflussen, scheinen wahrscheinlich multifaktoriell zu sein und können Veränderungen sowohl bei der Produktion von Zytokinen (Proteine, die das Wachstum und die Differenzierung von Zellen regulieren), als auch bei der Genexpression (Umsetzung der Information eines Gens in das jeweilige Produkt, z.B. ein Protein) mit sich bringen. Das Review fasst zusammen, dass ROS gegenüber menschlichen Zellen mutagen sind, also das Erbgut eines Organismus verändern und als Tumorinitiator fungieren bzw. initialen DNA-Schaden setzen können. ROS sind in der Lage, die Aktivitäten von Kinasen (Enzyme, die auf und in Zellen an der Weiterleitung und Verstärkung von Signalen beteiligt sind) zu verändern. Oxidative DNA-Modifikationen können Onkogene (wörtlich Krebs-Gene) aktivieren oder Tumorsuppressoren (Proteine, die durch ihre Aktivität den Zellzyklus und damit das schnelle Wachstum einer Zelle kontrollieren) inaktivieren. ROS kann die Zellproliferation (das schnelle Wachstum bzw. die Vermehrung oder Wucherung eines Gewebes) – je nach Zelltyp und Zustand – sowohl hemmen, als auch stimulieren. Jedoch ist ist keine direkte Interaktion zwischen ROS und der DNA erforderlich, um die Zellproliferation zu beeinflussen. So können freie Radikale die Entwicklung von Krebs neben den genotoxischen Effekten auch durch nicht-genotoxische Mechanismen (wie z.B. durch Veränderung von Signalübertragungswegen) beeinflussen. Insgesamt vermag jedoch kein einzelner Mechanismus den gesamten Prozess von karzinogenen Mechanismen zu erklären. Obwohl freie Radikale eine Hauptursache für einige Krebsarten sein können und es offensichtlich regulatorische Rollen für ROS auf allen Ebenen der Tumorentwicklung gibt, ist es höchst unwahrscheinlich, dass sie in allen Fällen erforderlich sind, da eindeutig alternative Wege zur Initiierung und Förderung existieren. Immunsystem Die Bedeutung von freien Radikalen bei Immunantworten auf eindringende Organismen ist gut etabliert. In den letzten zehn Jahren haben umfangreiche Untersuchungen gezeigt, dass freie Radikale und Oxidantien in der Zellkommunikation für das Immunsystem eine kritische Rolle spielen. Die Signalübertragung zwischen den Zellen ist entscheidend für die normale Funktion des Immunsystems. Diese Kommunikation beinhaltet die Freisetzung von Zytokinen (Proteine, die das Wachstum und die Differenzierung von Zellen regulieren) aus Geweben als Reaktion auf Verletzungen, wie Krankheiten, Drogen, Antigene und Radikale. Im Allgemeinen hat die Exposition bzw. Aussetzung gegenüber einer hohen Dosis an freien Radikalen einen negativen Einfluss auf das Immunsystem. Radikale können Verletzungen einleiten oder bestehende Gewebeschäden verschlimmern. Diese Verletzungen können vor allem bei chronischen entzündlichen Erkrankungen (wie z.B. rheumatoider Arthritis) signifikant sein, jedoch von Fall zu Fall und sogar von Zeit zu Zeit variieren, da sich der entzündliche Prozess entwickelt. Trotz des Potenzials zur Verursachung von Verletzungen sind Entzündungen eine normale Reaktion von verletztem Gewebe und im Allgemeinen nicht pathologisch. Wie in anderen Situationen, in denen Radikale normale Stoffwechselprodukte sind, läuft ihre Produktion bei Immunreaktionen (außer Autoimmunreaktionen, welche krankhafte Reaktionen des Immunsystem gegenüber körpereigenem Gewebe darstellen) so kontrolliert und zielgerichtet wie möglich ab. Diese Kontrolle ist natürlich nicht absolut, sodass Radikale bestehende Schäden verschlimmern können. Rheumatoide Arthritis Obwohl Entzündungen eine normale Reaktion des verletzten Gewebes darstellen– wenn sie unkontrolliert ablaufen, durch einen abnomalen Stimulus initiiert werden oder über längere Zeiträume auftreten –, kann eine Entzündung zum Krankheitsprozess werden. Dies scheint die zugrunde liegende Basis der rheumatoiden Arthritis zu sein, welche die häufigste chronisch verlaufende Gelenkentzündung ist. Der Auslöser für die Erzeugung der Antikörper, die bei dieser Autoimmunerkrankung das Gelenkgewebe angreifen, ist nicht bekannt. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass diese Antikörper durch die Bindung an verschiedene Gelenkproteine die Anhäufung von aktivierten Neutrophilen (spezialisierte Immunzellen; die häufigsten weißen Blutkörperchen) stimulieren. Die Produktion von ROS und anderen entzündlichen Mediatoren durch diese aktivierten Zellen wird vermutlich zu dem Schaden beitragen, der in der entzündeten rheumatoiden Verbindung auftritt. Die anschließende Auftreten von noch mehr aktivierten Neutrophilen führt zu der chronischen Entzündung und allmählichen Degeneration der für diese Erkrankung charakteristischen Gelenke. Es besteht zunehmende Evidenz, dass ROS eine Rolle bei rheumatoider Arthritis spielen. Obwohl Korrelation nicht gleich Kausalität ist, ist es immer noch offensichtlich, dass ROS ein wahrscheinlicher Missetäter in zumindest einigen Vorgängen und Zuständen dieser Krankheit sind. Obwohl nicht bewiesen ist, dass ROS in verschiedenen Formen von Arthritis pathologisch sind, unterstützt die Beweislage die Behauptung, dass sie auf irgendeinem Level beteiligt sind. Im Falle von rheumatoiden Arthritis darf das Ausmaß dieser Beteiligung nicht überbewertet werden, da die zugrunde liegende Ursache dieser Erkrankung sicherlich autoimmuner Natur ist und somit die antioxidative Therapie nur ein Symptom behandelt. Herz-Kreislauf-Erkrankungen Dass freie Radikale eine Rolle bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einschließlich Atherosklerose (Arterienverkalkung oder Arterienverhärtung), Bluthochdruck und kongestiver Herzinsuffizienz spielen, wird durch zahlreiche Studien unterstützt. Das Interesse an der potentiell krankhaften Wirkung freier Radikale im Herz-Kreislauf-System begann mit der Entdeckung, dass eine der frühesten Veränderungen, die in präatherosklerotischen Arterienwänden sichtbar sind, die Ansammlung von Fetten durch Makrophagen (Riesenfresszellen) ist, was zur Bildung von Schaumzellen führt. Schaumzellen bilden einen großen Teil aller „verkalkten“ Blutgefäße. Die Schädigungen an den Arterienwänden setzen sich dabei u.a. aus fettbeladenen Makrophagen zusammen. Dieser Prozess ist für die Entstehung von Atherosklerose von entscheidender Bedeutung. Umfangreiche Studien haben gezeigt, dass oxidierte Lipide dabei eine wichtige Rolle spielen könne. Allerdings fehlt ein endgültiger Beweis dafür, dass die Lipidoxidation für die menschliche Atherosklerose essentiell ist. Die Erhöhung des Plasma-LDL-Gehaltes ist eindeutig mit der Bildung von Schaumzellzellen in vivo verknüpft und diese Zellen sind wiederum von zentraler Bedeutung bei der Entwicklung der Atherosklerose. Allerdings werden Makrophagen kein normales LDL anhäufen – selbst wenn sie mit hohen Konzentrationen in vitro angezüchtet werden. Daher ist der genaue Mechanismus der Bildung einer Schaumstoffzelle unklar. Phagozyten (Fresszellen) sind in der Lage, ROS zu erzeugen und in LDL enthaltene Fettsäuren sind anfällig für Peroxidation bzw. oxidative Degradation. Es ist auch bekannt, dass oxidierte und andere modifizierte Formen von LDL von Makrophagen aufgenommen werden. In vitro besteht eine Verzögerungszeit vom Beginn der Oxidationsbedingungen, bis die modifizierten LDLs offensichtlich sind. Diese Verzögerung ist vermutlich auf die Zeitdauer für den Verlust von endogenen (also im Körper erzeugte Antioxidantien) aus LDL-Partikeln zurückzuführen. Ist LDL erstmal oxidiert, kann es in dieser modifizierten Form von den Makrophagen und Monozyten aufgenommen werden, was zur Bildung von Schaumzellen führt. Diese Schaumzellen sind ein wichtiger Bestandteil der Plaques – einer fleckförmige Anhäufung von Fettbestandteilen, Bindegewebe und Zellen, die in das Gefäß hineinragen und es allmählich verengen. Die Erzeugung von ROS und RNS, die Freisetzung von abbaubaren Enzymen, Zytokinen und Wachstumsfaktoren durch diese Zellen, sowie die direkte Zytotoxizität von oxidierten LDL auf Endothelzellen (spezialisierte, flache Zellen, welche die Innenseite der Blutgefäße auskleiden) und Fibroblasten (Zellen, die ein Hauptbestandteil des Bindegewebes sind), kann dann endotheliale Zellen schädigen, die – unter chronischen Bedingungen – zur Entwicklung einer atherosklerotischen Läsion führen. Diabetes und Metabolisches Syndrom Die Rolle von ROS und RNS in der Pathogenese des metabolischen Syndroms, sowie im Typ-1- und Typ-2-Diabetes wurde ausführlich untersucht. Dabei scheinen sowohl eine gesteigerte Generation von ROS, als auch eine dysfunktionelle zelluläre Antioxidationsreaktion als Faktoren eine Rolle zu spielen. Beispielsweise sind erhöhte Blutzucker- und gesättigte Fettsäure-Niveaus mit einer verstärkten Produktion von Superoxid/ Wasserstoffperoxid (beides reaktive Sauerstoffverbindungen) durch stimulierten mitochondrialen Stoffwechsel, sowie durch Aktivierung von NADPH-Oxidasen (wichtige Quelle für ROS) verbunden. Darüber hinaus kann die Hyperglykämie bzw. ein erhöhter Blutzuckerspiegel bei schlecht eingestelltem Diabetes oxidativen Stress verursachen und eine wichtige Rolle bei diabetischen Komplikationen – vor allem Betazell-Schäden – spielen. (Betazellen befinden sich in der Bauchspeicheldrüse und sind für die Produktion und Ausschüttung des Hormons Insulin verantwortlich.) Zusammenfassung Freie Radikale interagieren mit verschiedenen Gewebekomponenten. Solche Wechselwirkungen können sowohl akute, als auch chronische Funktionsstörungen verursachen, aber auch eine wesentliche Kontrolle von redox-regulierten Signalwegen ermöglichen. Freie Radikale werden gerne zur Erklärung von Pathologien herangezogen, die verschiedenen Krankheitszuständen und der Toxizität zahlreicher Xenobiotika zugrunde liegt. In-vitro-Studien haben gezeigt, dass freie Radikale viele verschiedene Pathologien nachahmen können. Und auch in vielen in-vivo-Studien konnten Hinweise auf die Reaktionen von freien Radikale Reaktionen in Verbindung mit diesen Pathologien beobachtet werden. Da jedoch Veränderungen durch freie Radikale weit verbreitet und sowohl eine Konsequenz, als auch Verletzungsursache sind, bleibt unklar, ob diese Arten eine Hauptursache für Gewebeschäden und menschliche Erkrankungen darstellen. Beweise für die Anwesenheit von freien Radikalen und durch Radikale vermittelten Reaktionen sind nicht gleichbedeutend mit ihrer Rolle bei der Erzeugung von Schäden. Aufgrund der signifikanten antioxidativen Kapazität des Körpers ist die direkte Toxizität freier Radikale wahrscheinlich auf akute, hochdosierte Expositionen beschränkt.
Oxidativer Stress spielt eine zentrale Rolle bei neurodegenerativen Erkrankungen, wie Alzheimer und Parkinson | © ralwel / Fotolia
Review 2
Das zweite, etwas ältere Review aus dem Jahre 2006 („Free radicals and antioxidants in normal physiological functions and human disease„) geht ebenfalls auf freie Radikale bzw. oxidativen Stress und ihre Rolle bei Erkrankungen, wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Ischämie-Reperfusionsschaden, rheumatoide Arthritis, Diabetes, neurologische Störungen, sowie das Altern ein. Überzeugende Beweise für die Assoziation von oxidativem/ nitrosativem Stress und akuten und chronischen Erkrankungen beruhen auf validierten Biomarkern von oxidativem Stress. Solche Biomarker müssen objektiv an gesunden und kranken Probanden für lange Zeiträume gemessen und ausgewertet werden. Krebs Oxidativer Stress induziert ein zelluläres Redox-Ungleichgewicht, das – im Vergleich zu normalen Zellen – in verschiedenen Krebszellen gefunden wurde. Das Redox-Ungleichgewicht kann also mit der Stimulation von Grebs-Genen (sog. „Onkogenen“) zusammenhängen. Die permanente Veränderung des genetischen Materials, die aus „Oxidationsschäden“ resultiert, stellt den ersten Schritt bei der Mutagenese (Mutationen im Erbgut ), der Karzinogenese (Tumorentwicklung) und dem Altern dar. DNA-Mutation ist ein kritischer Schritt in der Karzinogenese und in verschiedenen Tumoren wurden erhöhte Niveaus von oxidativen DNA-Läsionen festgestellt, die solche Schäden in der Ätiologie bzw. Entstehung von Krebs stark implizieren. ROS-induzierte DNA-Schäden umfassen ein- oder doppelsträngige DNA-Brüche, Purin-, Pyrimidin- oder Desoxyribose-Modifikationen (Bausteine der DNA) und DNA-Vernetzungen. DNA-Schäden können entweder zur Aufhaltung oder zur Induktion bzw. Auslösung der Transkription, Induktion von Signaltransduktionswegen, Replikationsfehlern und genomischer Instabilität führen, die alle mit der Karzinogenese assoziiert werden. Die am stärksten untersuchte DNA-Läsion ist die Bildung von 8-Gewebeschäden durch freie Radikale: Ursache oder Folge?
Wie aus den beiden Reviews hervorgeht, wirken freie Radikale bei verschiedenen normalen physiologischen Prozessen mit. Klar ist jedoch auch, dass freie Radikale im Übermaß (oxidativer Stress) Zellschäden erzeugen können und ein wesentlicher Faktor bei der Ätiopathogenese, d.h. der Erklärung für die Ursache, Entstehung und Entwicklung verschiedener Krankheiten sind. An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob eine unkontrollierte Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) eine primäre Ursache oder eine nachgeschaltete Folge des pathologischen Prozesses ist. Laut dem zweiten Review „Free radicals and antioxidants in normal physiological functions and human disease“ sei die Rolle von freien Radikalen als primäre Spezies, die DNA-Schäden im Zuge der Karzinogenese (Tumorentwicklung) erzeugt, klar. Umstritten sei jedoch, ob und inwiefern ROS auch eine primäre Rolle bei postischämischen Läsionen (Gewebeverletzungen nach einer Ischämie) und einigen anderen Krankheiten spielen. Es ist bekannt, dass es während der Ischämie und der frühen Reperfusion zu einem Anstieg der freien zytosolischen Calciumkonzentration kommt (zytosolisch = die Zellflüssigkeit betreffend). Diese zytosolische Calcium-Überladung während der Ischämie ist pathophysiologisch von großer Bedeutung, da dadurch strukturschädigende Mechanismen während der Reperfusion aktiviert werden, welche wiederum eine dauerhafte Funktionseinschränkung zur Folge haben. Verschiedene Versuche deuten darauf hin, dass eine post-ischämische Gewebeverletzung als unvermeidliche Folge von erhöhtem zytosolischen Calcium auftritt, was wiederum zu einer Überproduktion von freien Radikalen führt, die einen enzymatischen Abbau von essentiellen intrazellulären Komponenten zur Folge haben. Die beobachtete Überproduktion von ROS bei post-ischämischer Verletzung ist wahrscheinlich nicht die Hauptursache für den pathologischen Prozess, tritt aber wohl infolge einer erhöhten Konzentration von zytosolischem Calcium auf. So konnten verschiedene Calciumblocker die Lipidperoxidation hemmen und die ROS-Bildung verhindern. Was die Rolle von ROS in der Ätiologie von neurologischen Erkrankungen – insbesondere der Parkinson-Krankheit – betrifft, sei unklar, ob der durch freie Radikale induzierte oxidative Stress der primäre, initiierende Faktor ist, der zu Neurodegeneration führt. Klar ist, dass oxidativer Stress in die Ausbreitungsstufe der zellulären Verletzung involviert ist, die zur Neuropathologie führt. Es bedarf daher keiner Flut an Ereignissen, die durch oxidativen Stress initiiert werden, sondern eher einer Folge von Ereignissen, von denen oxidativer Stress eine Hauptkomponente darstellt. Die Hemmung des oxidativen Stresses könnte den Zyklus des Zelltods von Neuronen brechen, sodass der Fokus auf der Entwicklung eines rationalen Arzneimittels oder einer genetischen Therapie liegt, welche sich dem oxidativen Stress als Komponente des Zyklus widmet. Das Review kommt zusammenfassend zu dem Schluss, dass reaktive Sauerstoffspezies (ROS) und reaktive Stickstoffspezies (RNS) Produkte des normalen Zellstoffwechsels sind und verschiedene normale physiologische Funktionen des Organismus kontrollieren. Die Produktion von Radikalen, wie Stickstoffmonoxid durch NO-Synthasen (NOS) und dem Hydroxylradikal durch das das Enzym NADPH-Oxidase ist durch Hormone, Zytokine (kleine Eiweißmoleküle, die als Botenstoffe das Verhalten von Zellen beeinflussen) und andere Mechanismen streng reguliert. Darüber hinaus beteiligen sich ROS und RNS an verschiedenen redox-regulatorischen Mechanismen von Zellen, um sie vor oxidativem Stress zu schützen und die zelluläre „Redox-Homöostase“ aufrechtzuerhalten. Werden freie Radikale im Übermaß produziert, entsteht oxidativer Stress – ein schädlicher Prozess, der ein wichtiger Vermittler von Schäden an Zellstrukturen und folglich verschiedenen Krankheitszuständen und der Alterung sein kann. Auch das jüngere Review „Free radicals and related reactive species as mediators of tissue injury and disease: implications for Health“ kommt zu dem Schluss, dass Beweise für die Gegenwart freier Radikale und durch Radikale eingeleiteten Reaktionen nicht gleichbedeutend mit ihrer Rolle bei der Auslösung von Schäden sind. Aufgrund der signifikanten antioxidativen Kapazität im menschlichen Gewebe ist die direkte Toxizität freier Radikale wahrscheinlich auf akute, hochdosierte Expositionen beschränkt. Gesammelte Daten der letzten Jahre haben zu einem deutlich besseres Verständnis der Rolle freier Radikale und zellulärer Antioxidans bzw. Redox-Systeme in der Zell-Signalisierung beigetragen. Dazu gehören Effekte auf das Immunsystem, welches zunehmend als Schlüsselfaktor für die Prävention und Genesung – nicht nur von Infektionskrankheiten, sondern auch Krebs und toxischen Schäden – erkannt wurde. Die Komplexität der Reaktionen freier Radikale in biologischen Systemen scheinen den allgemeinen Mangel an vorteilhaften Effekten von antioxidativen Therapien zu erklären. Die zukünftige Forschung sollte sich darauf konzentrieren, zusätzliche Details in Bezug auf die Rolle freier Radikale in der Zellsignalisierung – insbesondere innerhalb des Immunsystems – zu verstehen, sodass Mittel identifiziert oder entworfen werden können, die spezifischer auf Zellen wirken können und zu effektiveren Behandlungen für die breite Palette an Störungen im Zusammenhang mit freien Radikalen beitragen.Antioxidantien als „Radikalfänger“?

Der Körper verfügt über natürliche Abwehrmechanismen gegen oxidativen Stress, zu denen die mit der Nahrung zugeführten Antioxidantien wesentlich beitragen | © Sergey Nivens / Fotolia
Lässt sich oxidativer Stress messen?
Wir sind tagtäglich oxidativem Stress ausgesetzt, denn reaktive Sauerstoffspezies (ROS) kommen in aeroben Organismen überall und dauernd vor. Unser Körper muss jeden Tag Millionen von Angriffen durch freie Radikale abwehren. Obwohl ROS wichtige physiologische Funktionen innehaben, sind sie auch an unterschiedlichen Krankheitsgeschehen beteiligt. Im Organismus wird ROS durch mehrere Mechanismen gebildet und entsteht u.a. in den Mitochondrien als Nebenprodukt der Zellatmung. Im Körper existieren aber auch zahlreiche Oxidoreduktasen bzw. Enzyme, die im Rahmen normaler physiologischer Prozesse zur Bildung von ROS und RNS beitragen. Reaktive Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen werden zudem bei Entzündungsprozessen durch Entzündungszellen der Immunabwehr abgegeben, um Viren und Bakterien zu schädigen. Exogene Schadstoffe und Umwelteinflüsse sind weitere bedeutende Quellen für reaktive Sauerstoffspezies. Hier wären z.B. UV-Strahlung, Zigarettenrauch, Luftverschmutzung (Ozon, Stickstoffoxide, verschiedene Stäube), aber auch einige Medikamente und Industriechemikalien zu nennen. ROS und RNS werden also sowohl im menschlichen Körper gebildet, als auch von außen aufgenommen. Jedoch verfügen wir als aerobe Lebewesen über Mechanismen, die uns vor oxidativer Schädigung schützen, indem sie ROS und RNS inaktivieren, deren Bildung reduzieren oder bereits entstandene Schäden reparieren. Oxidative und antioxidative Prozesse im Körper befinden sich unter normalen physiologischen Bedingungen in einem Fließgleichgewicht. Dieses Gleichgewicht kann jedoch auch aus den Fugen geraten, sodass vermehrt Oxidantien und Prooxidantien (oxidativ wirksame Moleküle und deren Bildung fördernde Vorstufen) gebildet werden oder aber Antioxidantien an Konzentration oder Aktivität verlieren. Es entsteht oxidativer Stress. Diese übermäßige Bildung von reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffspezies kann zur Schädigung körpereigener Moleküle führen. Wie aus den eingangs erwähnten Reviews zu entnehmen ist, gibt es Daten, die eine Verbindung zwischen der Bildung von ROS/RNS mit zahlreichen Erkrankungen sehen. So ist oxidativer Stress die Ursache für akute Reperfusionsschädigungen und akute Lungenschädigung nach Inhalationvon reinem Sauerstoff (Vgl. hier). Doch obwohl das wissenschaftliche Interesse an ROS und Antioxidantien groß ist und zahlreiche Übersichtsarbeiten vorliegen, gibt es trotz jahrzehntelanger Forschung nur wenige verlässliche Aussagen darüber, welche konkreten molekularen Mechanismen der Bildung von ROS/RNS im Verlauf der Erkrankungen zugrunde liegen. Inwieweit ein ursächlicher Zusammenhang besteht, bleibt unklar. Es gibt zahlreiche reaktive Spezies mit sehr unterschiedlichen chemischen Eigenschaften, denen noch mehr potenzielle Antioxidantien gegenüberstehen. Auch hier besteht weiterhin Klärungsbedarf, ob und inwiefern welche Spezies bzw. Substanzen unter welchen Bedingungen für die Entstehung oder den Verlauf einzelner Erkrankungen von Bedeutung sind. Hinzu kommt, dass es problematisch – oder besser gesagt sehr komplex – ist, das Ausmaß an oxidativem Stress im Körper oder Teilbereichen abzuschätzen oder gar zu bestimmen. Grund ist die Vielzahl an reaktiver, oxidativ wirkender Moleküle, die wiederum eine sehr unterschiedliche Spezifität und Reaktivität gegenüber potenziellen Zielmolekülen aufweisen, wo sie unterschiedliche chemische Modifikationen verursachen können. Da reaktive Moleküle in Körpergewebe oder Flüssigkeiten meist nur in sehr niedrigen Konzentrationen vorkommen und eine kurze Lebensdauer aufweisen, gestaltet sich ihre Messung schwierig. Die Kommission des Robert Koch-Instituts „Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin“ hält in einer Mitteilung aus dem Jahre 2008 aus methodischer Sicht drei Verfahren für praktikabel: die Bestimmung von DNA Schädigungsmarkern im Urin, die Bestimmung der Konzentration von Markern für die oxidative Lipidschädigung in Blut/Urin, sowie die Bestimmung der Konzentration von Antioxidantien (Vitamine C, E). Anhand solcher Verfahren wird versucht, die Konzentrationen und Aktivitäten einzelner Antioxidantien und Folgeprodukte des oxidativen Stresses zu identifizieren und zu analysieren. Die Kommission kam jedoch damals zu dem Schluss, dass „weitere Studien erforderlich sind, bevor Messergebnisse im individualmedizinischen Bereich bei umweltmedizinischen Fragestellungen sinnvoll interpretiert werden können“. Das liegt daran, dass die Aussagekraft solcher Messungen u.U. nicht eindeutig ist, da viele oxidative Veränderungen bzw. Umwandlungen im Körper erkannt und repariert werden können. Zudem können oxidativ veränderte Moleküle weiter reagieren, abgebaut und ausgeschieden werden. Auch die Zahl neuer Marker und Methoden zur Erfassung des oxidativen Stresses beim Menschen – darunter Marker der oxidativen DNA-, Protein- und Lipidschädigung, sowie Marker der antioxidativen Kapazität – wächst stetig.
Wenn Pro- und Antioxidantien aus dem Gleichgewicht geraten
Wie eingangs bereits kurz erwähnt, sind für das Gleichgewicht zwischen Pro- und Antioxidantien diverse endogene und exogene Modulatoren beteiligt. Bei vielen Krankheiten wurden Modifikationen bzw. oxidative Veränderungen verschiedenster Art an biologisch bedeutsamen Makromolekülen nachgewiesen, denen die Bildung von ROS/RNS zugrunde liegt. Ob diese Modifikationen lediglich eine Begleiterscheinung sind oder eine wichtige Rolle in der Entstehung und Entwicklung dieser Erkrankungen spielen, ist im Einzelfall umstritten und bleibt zu klären. Klar ist, dass Entzündungsprozesse zu einer erhöhten Produktion von ROS/RNS führen, welche wiederum an der Entstehung und Verlauf zahlreicher Erkrankungen beteiligt sind. Zum einen kommt es im Verlauf von inflammatorischen Prozesse zur Bildung von reaktiven Spezies. Diese stimulieren die Expression von Enzymen, welche wiederum an der Entstehung weiterer reaktiver Spezies beteiligt sind. Zum anderen führt eine ausgeprägte Entzündung häufig zu lokalen Gewebeschäden und Zelltod, was die Bildung von ROS/RNS ebenfalls anregen kann. Neben endogenen Modulatoren tragen auch exogene Faktoren – entweder direkt oder indirekt – zur Entstehung oxidativer Schäden bei. Man bezeichnet solche Stoffe oder Umstände auch als „Noxe“ (vom lat. noxa für „Schaden“), da sie eine schädigende, krankheitserzeugende Wirkung auf den Organismus oder ein Körperorgan ausüben. Hierzu zählen z.B. Umwelteinflüsse, denen wir uns nicht immer entziehen können. Zu den bekanntesten gehört UV-Strahlung (durch Sonne, Solarium), Röntgenstrahlung (z.B. beim ärztlichen Untersuchungen), ionisierende Strahlung (z.B. radioaktive Strahlung), sowie Luftverschmutzung durch Ozon, Feinstaub oder Stickstoffoxide (z.B. im Straßenverkehr). Viele dieser Noxen wirken spezifisch auf bestimmte Organe. Die UV-A-Strahlung (Wellenlänge 315 bis 400 nm) und UV-B-Strahlung (Wellenlänge 280 bis 315 nm) der Sonne kann – obwohl sie die niedrigstenergetische der ionisierenden Strahlungen ist – für den Menschen gefährlich sein und zu Schädigungen der Haut und Augen führen.
Ein ausgiebiges Sonnenbad ist purer Stress für die Haut | © juefraphoto / Fotolia
Wie sinnvoll sind antioxidative Therapien?
In der Regel hat unser Körper ein gut funktionierendes Schutzsystem, um die freien Radikale in Schach zu halten. Verschiebt sich das Gleichgewicht zwischen Pro- und Antioxidantien zugunsten der Ersteren, entsteht oxidativer Stress. Wie im vorangegangenen Abschnitt bereits erwähnt, gibt es durchaus Marker zur Bestimmung des oxidativen Schadens, darunter die DNA-Schädigung, die Lipidoxidation, der Antioxidantienstatus, sowie die gesamte antioxidative Kapazität. Bei Messwerten aus Blut- oder Urinproben bleibt jedoch unklar, welches Organ bzw. Gewebe von oxidativem Stress betroffen ist, welche reaktive Spezies die oxidative Schädigung herbeigerufen hat oder welches Antioxidans in einer zu geringen Konzentrationen vorliegt. Erhöhte Messwerte für Marker des oxidativen Stresses sind häufig mit Entzündungserkrankungen verbunden, sodass zunächst die Krankheit zu behandeln ist, bevor man zu irgendwelchen „antioxidativen Therapie“ (z.B. die Supplementierung von Antioxidans) greift. Gehen erhöhte Messwerte für Marker des oxidativen Stresses nicht mit erkennbaren Krankheitszeichen einher, kann das körpereigene, antioxidative System betrachtet werden. Der sog. Antioxidantienstatus bezeichnet die Konzentration bzw. Aktivität einzelner endogener und exogener antioxidativ wirkender Moleküle. Zu den exogenen Antioxidantien zählen im Körper gebildete ROS/RNS spezialisierte antioxidative Enzyme, wie Superoxiddismutase, Katalase und Glutathionperoxidasen. Endogene Antioxidantien, die wir mit der Nahrung zuführen, sind vor allem Vitamine mit antioxidativen Eigenschaften, darunter die lipidlöslichen Antioxidantien Vitamin E, Provitamin A und Lycopin, sowie wasserlösliche Antioxidantien, wie Ascorbinsäure, Thiole (z.B. Glutathion) und Flavonoide. Dieses Netzwerk antioxidativer Verteidigungssysteme kontrolliert die Konzentration einzelner ROS/RNS sehr vielfältig und auf mehreren Ebenen, sei es durch Prävention, direkte Inaktivierung oder Reparatur. Fällt die Konzentration exogener und endogener Antioxidantien zu niedrig aus, steigt das Risiko für oxidativen Schaden. Allerdings erlaubt die Feststellung eines Verlustes an Antioxidantien keinerlei Auskunft darüber, ob bereits Schädigungen eingetreten sind oder nicht. Auch gilt es zu beachten, dass für das antioxidative Fließgleichgewicht eine Vielzahl an Antioxidantien erforderlich ist und ein Antioxidans alleine nicht sämtliche ROS/RNS gleichermaßen effektiv inaktivieren kann. Hinzu kommt, dass prooxidativ und antioxidativ wirkenden Substanzen im menschlichen Körper nicht gleichmäßig verteilt sind, sondern in unterschiedlichen Konzentrationen vorliegen. Je nach Organ, Gewebe oder intrazellulären Struktur kann es daher sein, dass eine bestimmte Antioxidans-Konzentration, welche in einer homogenen Lösung sehr effektiv zur Inaktivierung von ROS/RNS beitrug, nicht in allen Körperbereichen auch die körpereigenen Biomoleküle zu schützen vermag. Eine Nahrungsergänzung mit Antioxidantien führt – sofern die Antioxidantien-Konzentrationen im Blut im optimalen Bereich liegen – daher nur selten zur weiteren Minderung oxidativer Schäden. Eine positiver Effekt ist nur bei Mangelzuständen zu erwarten. Eine Überversorgung an antioxidativ wirkenden Substanzen kann zudem unerwünschte Wirkungen mit sich bringen. Das eingangs bereits angeführte Review „Free radicals and related reactive species as mediators of tissue injury and disease: implications for Health“ merkt an, dass der Großteil der antioxidativen Abwehrkräfte enzymatisch ist und die Ergebnisse zahlreicher Studien zeigen, dass exogen verabreichte, kleinmolekulare Antioxidantien nicht in der Lage sind, den Verlauf der meisten Toxizitäten und Krankheiten zu beeinflussen, die angeblich unter dem Einfluss freier Radikale stattfinden. Nehmen wir das Beispiel Krebs: So zeigten vorläufige Untersuchungen, dass Vitamin E wahrscheinlich bei der Prävention von Prostatakrebs wirksam ist. Eine umfangreiche klinische Studie ergab jedoch letztlich, dass Vitamin E den Prostatakrebs nicht verringerte, sondern die Inzidenz bzw. Häufigkeit von Neuerkrankungen sogar leicht erhöhte. Ähnlich sieht es beim Konsum von Obst und Gemüse aus: obwohl beides reich an Antioxidantien ist, negativ mit dem Risiko für einige Krebsarten korreliert und niedrige Retionol-Blutwerte mit einem erhöhten Risiko für Lungenkrebs assoziiert werden, zeigten mehrere Studien, dass Beta-Carotin – die Vorstufe von Retinol (Vitamin A) – tatsächlich zur Erhöhung des Krebsrisikos beiträgt. Ergebnisse mit Folsäure, Vitamin C, Selen und Calcium waren ebenfalls negativ. Positive Ergebnisse wurden bei niedrig dosiertem Aspirin im Bezug auf Darmkrebs beobachtet, jedoch scheint es unwahrscheinlich, dass diese Wirksamkeit mit irgendeiner antioxidativen Aktivität zusammenhängt. Die Gründe, warum die Chemoprävention mit Antioxidantien versagt hat, sind unklar. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine einzelne Behandlung bei Patienten mit unterschiedlichem Alter, Lebensstil, Gesundheitszustand etc. wirkt, nicht gerade hoch. Insgesamt sei trotz umfangreicher Fortschritte im Verständnis von karzinogenen Mechanismen klar, dass kein einzelner Mechanismus den gesamten Prozess erklären kann. Obwohl freie Radikale eine Hauptursache für einige Krebsarten sein können und ROS offensichtlich eine regulierende Rolle auf allen Ebenen der Karzinogenese einnehmen, ist es höchst unwahrscheinlich, dass sie in allen Fällen notwendig sind, da eindeutig immer noch andere Wege der Initiierung und Förderung bestehen. Bei entzündlichen Erkrankungen, wie rheumatoider Arthritis kann das Konzept, dass exogene Antioxidantienbei Entzündungen von Vorteil sind, fehlerhaft sein, da Radikale, Oxidationsmittel und Antioxidantien konkurrierende Effekte auf normale Signalwege haben können. Und auch was den Einsatz von Antioxidantien in der Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrifft, konnten die meisten Studien keine klinische Wirksamkeit nachweisen. Die Gründe für sind ähnlich denen, die bei der Chemoprävention von Krebs angerissen wurden. Dazu zählen der komplexe Wirkmechanismus von ROS auf schädigende und schützende Wege, sowie mangelnde Kenntnisse über optimale Dosierungsprotokolle. Auch besteht die Möglichkeit von genetischen Faktoren, die Einfluss auf das Ergebnis nehmen. Das bedeutet, dass Effekte bei Subpopulation von Patienten einem Mangel an Resonanz in der allgemeinen Bevölkerung unterliegen. Daher kann die Prämisse der Verwendung von Antioxidantien zur Verhinderung einer atherosklerotischen Erkrankung fehlerhaft sein. Selbst wenn sie (in Einzelfällen) richtig sein mögen, haben pauschale Strategien zur Linderung aller Krankheiten durch Antioxidantien grundsätzlich versagt. Das ebenfalls eingangs betrachtete, etwas ältere Review „Free radicals and antioxidants in normal physiological functions and human disease“ von 2007 erwähnt, dass niedermolekulare Antioxidantien zwar direkt an der Umwandlung von ROS in weniger reaktive Spezies beteiligt sind, eine Antioxidans-Schutztherapie gegen freie Radikale bei Krebspatienten jedoch nur mit Vorsicht angewendet werden sollte, da ihre Wirkungen von dem Stadium abhängen, in der sie eingeleitet wird (Vgl. auch Mini-Review „Free radicals, metals and antioxidants in oxidative stress-induced cancer“). Da die Apoptose (eine Form des programmierten Zelltods) durch erhöhte freie Radikale verursacht wird, können die verminderten Konzentrationen an freien Radikalen infolge einer übermäßigen Verabreichung von Antioxidantien das Überleben von geschädigten Zellen und die Proliferation (Zellteilung und Zellwachstum) in neoplastische Zustände stimulieren und damit den Prozess der Karzinogenese eher fördern als unterbrechen. Darüber hinaus könnte eine Antioxidans-Therapie während des Entwicklungsstadiums von Krebs tatsächlich das Wachstum von Tumoren durch das verstärkte Überleben von Tumorzellen stimulieren. In diesem Zusammenhang sollte auch der prooxidative Charakter einiger Antioxidantien betrachtet werden, der je nach Konzentration und Umweltbedingungen (Sauerstoffdruck) auftreten kann. Auch das National Cancer Institute stellt in seinem Fact Sheet zum Thema Antioxidantien und Krebsprävention fest, dass mehrere randomisierte kontrollierte klinischen Studien nicht belegen konnten, dass die Nahrungsergänzung mit Antioxidantien in der primären Krebsprävention vorteilhaft seien. Desweiteren hat ein systematisches Review zu Vitaminen und Mineralstoffen in der primären Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs keinen eindeutigen Beweis für den Nutzen bei der Prävention von Krebs gefunden. Es ist jedoch möglich, dass der mangelnde Nutzen in klinischen Studien durch Unterschiede in den Auswirkungen der getesteten Antioxidantien erklärt werden kann, wenn sie in gereinigter Form (z.B. als Präparat) oder als ganze Lebensmittel zugeführt werden, die wiederum komplexe Mischungen an Antioxidantien, Vitaminen und Mineralstoffen enthalten. Daher zählt es zu den aktiven Gebieten der Krebsvorsorgeforschung, ein umfassenderes Verständnis der Antioxidans-Inhalte einzelner Lebensmittel, ihrer Interaktion mit anderen Stoffen und über Einflussfaktoren bei der Aufnahme und Verteilung von in Lebensmitteln enthaltenen Antioxidantien im Körper zu erlangen. Personen, bei denen bereits Krebs diagnostiziert wurde, rät das National Cancer Institute, Nahrungsergänzungen mit Antioxidantien mit Vorsicht zu verwenden und behandelnde Ärzte über die Einnahme zu informieren. Es gibt mehrere randomisierte kontrollierte Studien (einige mit nur wenigen Patienten), welche sich mit der Wirksamkeit und Toxizität von Nahrungsergänzung mit Antioxidantien während der Krebsbehandlung beschäftigten. Einige Versuche lieferten gemischte Ergebnisse, bei anderen hatten Patienten, die Antioxidantien während der Krebstherapie ergänzten, schlechtere Ergebnisse, besonders wenn es sich um Raucher handelte. Um klare wissenschaftliche Beweise über die potenziellen Vorteile oder Schäden der Einnahme von Ergänzungspräparaten mit Antioxidantien während der Krebsbehandlung zu liefern, sind zusätzliche große randomisierte kontrollierte Studien erforderlich. Laut dem Mini-Review „Free radicals, metals and antioxidants in oxidative stress-induced cancer“ scheint die zur Vermeidung von durch oxidativen Stress bedingten Krebs wichtigste Maßnahme darin zu bestehen, die Exposition bzw. Aussetzung gegenüber endogenen und exogenen Quellen oxidativen Stresses zu minimieren, soweit dies möglich ist. Wie bei allen bedrohlichen Aspekten des Lebens, sei Prävention besser als Heilung.Hilft Nahrungsergänzung mit Antioxidantien?

„Viel hilft viel“ trifft bei hochdosierten Nahrungsergänzungsmitteln nicht zu. Solche Präparate können mehr Schaden als Nutzen bringen | © ronstik / Fotolia
ORAC & Co: Was sagt die „totale antioxidative Kapazität“ aus?
Während der Antioxidantienstatus die Konzentration bzw. Aktivität einzelner endogener und exogener Antioxidantien beschreibt, greift die „totale antioxidative Kapazität“ weiter. Hintergrund ist, dass im Organismus eine Vielzahl antioxidativ wirksamer Komponenten existieren, die in ihrer Gesamtheit ein effektives antioxidatives Netzwerk bilden. Die Bestimmung der Konzentration von nur wenigen Einzelkomponenten kann somit niemals das Gesamtbild widerspiegeln. Die Bestimmung der totalen antioxidativen Kapazität entspricht dabei der kumulativen Fähigkeit und Effektivität einer Probe (Blut, Lebensmittel, Gewebe, chemische Verbindung) in einem Testsystem eine bestimmte reaktive Spezies (Radikale) abzufangen oder zu neutralisieren. Die Hypothese hinter diesem Ansatz ist, dass eine erhöhte antioxidative Kapazität im Blut mit der Fähigkeit einhergeht, höhere Belastungen an ROS/RNS bewältigen zu können oder das die höhere antioxidative Kapazität einer Probe (z.B. einem Lebensmittel) indirekt auf eine höhere Konzentration oder günstigere Zusammensetzung von Antioxidantien in dieser Probe hindeutet. Zur Bestimmung der gesamten antioxidativen Kapazität einer Probe stehen eine Reihe von Tests zur Verfügung. Das Grundprinzip ist bei allen Methoden gleich: die in der biologischen Probe enthaltenen Antioxidantien schützen ein Substrat vor dem durch ein Oxidans bzw. Radikal induzierten oxidativen Angriff. Dabei können die Zeitspanne und das Ausmaß, mit der die Probe diese Oxidation verhindert, gemessen und mit einem Standard verglichen werden. Oft angewandte Tests sind TRAP („total peroxyl radical-trapping antioxidant parameter“), ORAC („oxygen radical absorbance capacity“), TEAC („trolox equivalent antioxidant capacity“), FRAP („ferric ion reducing antioxidant power“) oder PCL (Bestimmung der antioxidativen Kapazität mittels Photochemilumineszenz). Zahlreiche Online-Shops für Nahrungsergänzungs-Produkte argumentieren mit hohen ORAC-Werten, welche die antioxidative Wirkung ihres Produkts belegen sollen. ORAC steht für „Oxygen Radical Absorbance Capacity“, also die Fähigkeit zum Abfangen von Sauerstoffradikalen. Der ORAC-Wert wird häufig für Lebensmittel bestimmt. Das Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten („United States Department of Agriculture“, kurz: USDA) hat im Jahre 2007 die erste Datenbank der Antioxidans-Aktivität für 277 ausgewählte Lebensmittel anhand der ORAC-Methode veröffentlicht und diese im Jahre 2010 um 49 weitere Lebensmittel ergänzt, sowie etwas umstrukturiert (siehe PDF „USDA Database for the Oxygen Radical Absorbance Capacity (ORAC) of Selected Foods„, Release 1 und Release 2). Da der ORAC-Wert – als Nachweis von antioxidativer Kapazität – von Verbrauchern mit positiven gesundheitlichen Wirkungen assoziiert wird, hat sich das Marketing für Lebensmittel diesen Wert zunutze gemacht. So geht beispielsweise der Online-Shop nu3 in seinem Lexikon auf den „sehr hohen“ ORAC-Wert der Goji-Beere ein. Auch Vitafy.de wirbt auch der Übersichtsseite für Acai-Produkte mit einem hohen ORAC-Wert. Und MyProtein hebt auf der Produktseite seiner Mischung „Superfood XS“ die „extrem potente Antioxidantienmischung“ (unter Angabe des ORAC-Wertes) hervor. Und selbst Online-Apotheken machen sich den ORAC-Wert als Marketing-Instrument zunutze. Zum Beispiel wirbt die shop-apotheke.com bei dem Produkt „Zell Oxygen Immunkomplex“ mit einem hohen ORAC-Wert, der „überschüssige Freie Radikale unschädlich macht und den Energiestoffwechsel und die Leistungsfähigkeit fördert“. Das „Problem“ an den ORAC-Werten ist, dass sie eine eine chemische Eigenschaft des gemessenen Stoffes bzw. Lebensmittels beschreiben. Die Reaktion, die bei der ORAC-Messung abläuft, findet so im menschlichen Organismus nicht statt. Zudem ist die Bioverfügbarkeit der Probenbestandteile nicht bekannt, sodass aus den ORAC-Werten kein gesundheitlicher Nutzen auf den Körper geschlossen werden kann. Die USDA hat daher im Jahre 2012 die ORAC-Werte für ausgewählte Lebensmittel aus ihrer Nährstoffdatenbank entfernt. Es würden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Werte, die eine antioxidative Kapazität induzieren, keine Bedeutung für die Auswirkungen spezifischer bioaktiver Verbindungen (einschließlich Polyphenolen) auf die menschliche Gesundheit haben. Es gäbe eine Reihe von bioaktiven Verbindungen, von denen angenommen wird, dass sie eine Rolle bei der Prävention oder Linderung von verschiedenen chronischen Krankheiten, wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer und Diabetes spielen. Allerdings sind die damit verbundenen Stoffwechselwege nicht vollständig geklärt, sodass auch nicht-antioxidative Mechanismen, welche derzeit noch ungeklärt sind, verantwortlich sein können. Laut USDA werden ORAC-Werte routinemäßig missbraucht – sowohl von Herstellern zum Bewerben ihrer Nahrungs- bzw. Nahrungsergänzungsmittel, als auch von Verbrauchern als Entscheidungshilfe bei Ernährungsfragen. Die ORAC-Methode misst den Grad der Hemmung der durch Peroxylradikale induzierten Oxidation durch die zu untersuchenden Verbindungen (Antioxidantien) in einem chemischen Milieu. Bei der Messung dient das Vitamin E-Derivat Trolox als Referenz, weswegen das Ergebnis in Trolox-Äquivalenten (pro Volumen- oder Gewichtseinheit der Probe) angegeben wird. Bei der ORAC-Messung wird die antioxidative Reaktion während ihres gesamten Verlaufes beobachtet und schließt sowohl die Inhibitionszeit, als auch das Ausmaß der Hemmung der Oxidation ein. Beim Vergleich von ORAC-Daten muss darauf geachtet werden, dass die Einheiten und die verglichenen Lebensmittel ähnlich sind. Einige Auswertungen vergleichen die ORAC-Einheiten von Lebensmittel pro Gramm Trockengewicht oder in Pulverform, andere in frischer oder gefrorener Form und wiederum andere betrachten die ORAC-Werte pro Portion. Je nach Messmethode können verschiedene Lebensmittel höhere ORAC-Werte aufweisen. So scheinen Rosinen aufgrund ihres geringeren Wassergehalts einen höheren ORAC-Wert als frische Trauben zu haben, obwohl das Antioxidanspotential der Frucht an sich identisch ist. Ebenso kann der hohe Wassergehalt von Wassermelonen es so erscheinen lassen, als ob diese Frucht einen niedrigeren ORAC-Wert hätte. Auch die typischen Portionsmengen sollte beachtet werden. So können z.B. Kräuter und Gewürze zwar hohe ORAC-Werte aufweisen, jedoch werden diese im Vergleich zu frischen Lebensmitteln in deutlich geringeren Mengen verwendet. Zahlreiche Hersteller und Vermarkter von „gesunden“ Lebensmitteln und Getränken haben fälschlicherweise vom ORAC-Rating profitiert, indem sie Produkte mit „hohen ORAC-Werten“ anpriesen. Da die meisten dieser ORAC-Werte nicht unabhängig validiert worden oder einem Peer-Review (Verfahren zur Qualitätssicherung von wissenschaftlichen Publikationen) unterzogen wurden, bleiben sie unbestätigt, sind wissenschaftlich unglaubwürdig und können die Verbraucher irreführen. Die Verbraucherzentrale sieht es ähnlich:„Diese ORAC-Werte sind […] reine Laborwerte, die sich nicht auf den Menschen übertragen lassen. Damit ist die Werbung irreführend.“Die USDA gibt auch zu bedenken, dass einige neuer Versionen der ORAC-Messung andere Substrate verwenden und die Werte der unterschiedlichen Messungen daher nicht vergleichbar sind. Zudem sei der ORAC-Test nur einer von vielen, die zur Messung der gesamten antioxidativen Kapazität herangezogen werden. Die verschiedenen Tests zur Messung der gesamten antioxidativen Kapazität basieren auf diskreten zugrunde liegenden Mechanismen, die unterschiedliche Quellen für Radikale oder Oxidationsmittel verwenden und somit unterschiedliche Werte ohne direkte Vergleichbarkeit genieren. Die bereits oben genannte, zur Verfügung stehenden Testverfahren messen entweder, wie effektiv eine Probe die durch das eingesetztes Oxidans verursachte Oxidation einer Sonde im Testsystem verhindert (z.B. beim ORAC-Test) oder wie effektiv eine Probe selbst eine Sonde zu reduzieren vermag (z.B. beim FRAP-Test). Der FRAP-Test (FRAP für „ferric ion reducing antioxidant power“) wird – wie der ORAC-Test – ebenfalls zur Bestimmung der gesamten antioxidativen Kapazität herangezogen. Jedoch wird hierbei die Fähigkeit der Probe, Metall zu reduzieren gemessen, während bei dem ORAC-Test freie Radikale reduziert werden. Mit dem Ziel, der Forschungsgemeinschaft vergleichbare Daten über die relative Antioxidanskapazität einer breiten Palette von Lebensmitteln zu liefern, stellte eine Studie von 2010 eine Datenbank mit dem gesamten Antioxidansgehalt von mehr als 3.100 weltweit verwendeten Nahrungsmitteln, Getränken, Gewürzen, Kräutern und Nahrungsergänzungsmitteln zusammen. Als Methode diente eine modifizierte Version des FRAP-Tests. Laut den Autoren ist diese Datenbank die umfassendste Übersicht von antioxidativen Lebensmitteln, die bis dato veröffentlicht wurde. Laut Datenbank enthalten pflanzliche Lebensmittel deutlich mehr Antioxidantien als tierische Lebensmittel, wobei Gewürze, Kräuter und Nahrungsergänzungsmittel die Produkte mit dem höchsten Gehalt an Antioxidantien sind (was aufgrund des geringen Wassergehalts und Angaben in mmol/100 g auch nicht verwunderlich ist). Auch Beeren, Früchte, Nüsse, Schokolade, Gemüse und daraus hergestellte Produkte zählen zu gängigen Lebensmitteln und Getränken mit einem hohen Antioxidans-Gehalt. Doch auch wenn bei der Erstellung dieser Datenbank die gleiche validierte Methode an allen Proben angewandt und damit eine bessere Vergleichbarkeit hergestellt wurde, handelt es sich nach wie vor um ein chemisches Verfahren. Laut Kommission „Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin“ des RKI mögen solche Verfahren bzw. Testsysteme zwar eine erste Einschätzung hinsichtlich einer potenziell erzielten Wirkung auf den Redoxstatus des Plasmas oder der veränderten Fähigkeit des untersuchten Systems, bestimmte reaktive Moleküle zu inaktivieren, bieten;
„Sie geben jedoch keinerlei Information darüber, wie relevant eine solche Änderung der antioxidativen Kapazität für die Prävention oxidativer Schädigung im Körper ist. Sie lassen weiterhin keine spezifische Aussage zu, die konkrete Angaben zu tatsächlich veränderten Antioxidantienspiegeln, die die identifizierten Änderungen der antioxidativen Kapazität bedingen, erlaubten.“ORAC, FRAP und andere Tests zur Abschätzung der totalen antioxidativen Kapazität erwecken oft fälschlicherweise den Eindruck, dass man die Abwehrbereitschaft gegen all die unterschiedlichen reaktiven Spezies gleichermaßen bestimmen könne. Aber in Wirklichkeit wird nur die Fähigkeit einer Probe analysiert, ein bestimmtes, im jeweiligen Test eingesetztes reaktives Molekül − das häufig ohne biologische oder pathologische Relevanz ist – zu neutralisieren. Zudem erfassen diese Tests auch nicht die „totale“ bzw. „gesamte“ antioxidative Kapazität einer Probe, da der für das antioxidative Netzwerk essenzielle Anteil enzymatischer antioxidativer Reaktionen (u.a. enzymatische Reparaturmechanismen) nicht erfasst wird. Auf der anderen Seite werden die Messwerte zur totalen antioxidativen Kapazität auch durch einige pathologische und physiologische Zustände, die mit oxidativem Stress in keinem offensichtlichen Zusammenhang stehen, beeinflusst. Die Kommission stellt weiterhin fest:
„Für Tests zur gesamten antioxidativen Kapazität fehlen internationale Validierung und pathobiochemische Relevanz.“Auch die USDA hält die Lebensmittel-Tabelle mit den ORAC-Werten wie bereits erwähnt für nicht mehr zeitgemäß. Es gäbe keine Hinweise darauf, dass die positiven Wirkungen von polyphenolreichen Lebensmitteln auf die antioxidativen Eigenschaften dieser Lebensmittel zurückzuführen sind. Die Daten für die antioxidative Kapazität von Lebensmitteln, die durch in vitro (Reagenzglas)-Methoden erzeugt werden, können laut USDA nicht auf Effekte in vivo (im lebenden Organismus) extrapoliert bzw. übertragen werden. Hinzu kommt, dass klinische Studien bezüglich der Vorteile von diätetischen Antioxidantien gemischte Ergebnisse gezeigt haben. Die Erkenntnis, dass Antioxidans-Moleküle in Lebensmitteln eine breite Palette von Funktionen innehaben, von denen viele nicht mit der Fähigkeit verbunden sind, freie Radikale zu absorbieren, hat die USDA letztlich dazu bewogen, die ORAC-Tabelle im Jahr 2012 wieder von ihrer Webseite zurückzuziehen.
Sind Antioxidantien für Sportler notwendig?

Synthetische Antioxidantien können bei Sportlern bei nachweislich erhöhtem Anfall von freien Radikalen sinnvoll sein. Eine ausgewogene, vollwertige Ernährung bleibt jedoch der wichtigste Ansatzpunkt | © pavel1964 / Fotolia
„Wenn wir jedem Individuum das richtige Maß an Nahrung und Bewegung zukommen lassen könnten, hätten wir den sichersten Weg zur Gesundheit gefunden.“ (Hippokrates)Obwohl die vorübergehende Nahrungsergänzung mit Antioxidantien bei Sportlern in bestimmten Situationen gerechtfertigt sein mag, bleibt das ultimative Ziel dennoch, die grundlegenden Ernährung des Athleten zu optimieren. Entscheidend ist, dass die optimale Bioverfügbarkeit und kombinierte Wirkung mehrerer phytochemischer und antioxidativer Verbindungen aus Obst, Gemüse, Vollkorn und Nüssen nicht durch Nahrungsergänzung ersetzt werden kann. Auch wenn Phytochemikalien, wie z.B. Polyphenolen für ihre antioxidativen Eigenschaften bekannt sind, können ihre vorteilhaften physiologischen Effekte durch eine Vielzahl von Mechanismen unterstützt werden. Das Zusammenspiel zwischen Training, physiologischen Anpassungen, Wohlbefinden, Wettkämpfen und Ernährungsanforderungen erfordert einen integrierten und personalisierten Ansatz, der kontinuierlich weiterentwickelt und an die individuellen Anforderungen jedes einzelnen Athleten angepasst werden sollte. Ernährungskonzepte für Sportler sollten von fachkundigem medizinischen Personal entwickelt werden und dabei die individuellen physiologischen Merkmale, die Sportart, Intensität, sowie Dauer der Trainingsprogramme berücksichtigen. Auch eine klinische Überwachung unter Einbeziehung von Blutanalyse und physiologischen Tests im Rahmen einer umfassenden Ernährungsbewertung ist zu befürworten. Ernährungsberatern für Sportler bieten sich auf Basis der (Mikro-)Nährstoffprotokolle (Ernährungstagebuch) in Kombination mit beobachteten Anzeichen und Symptomen eines eventuellen Mikronährstoff-Mangels verschiedene Strategien zur Beurteilung des Mikronährstoff-Status ihres Athleten. Dies ist besonders wichtig für Eisen, Vitamin D, Calcium und Antioxidantien. Durch die Förderung einer ausgewogenen und vielfältigen Ernährung können Ernährungsberater einen Mikronährstoffmangel bei den von ihnen betreuten Athleten vermeiden und gleichzeitig die Vorteile vieler anderer leistungsfördernder Ernährungsstrategien nutzen.
Zusammenfassung & Empfehlung
Oxidativer Stress, der durch ein Übermaß an reaktiven Sauerstoffverbindungen entsteht, wird nicht nur mit dem Altern, sondern auch mit der Entstehung von verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht. Bei Erkrankungen, wie Krebs, Alzheimer, Parkinson & Co., die häufig in diesem Zusammenhang diskutiert werden, ist es verständlich, dass man sich vor „oxidativem Stress“ oder „freien Radikalen“ zu schützen versucht. Aber wie? Glaubt man der Lebensmittel-Industrie oder Herstellern von „Health Food“ und Nahrungsergänzungsmitteln, scheinen „Antioxidantien“ der Schlüssel zum Erfolg zu sein. So sollen z.B. spezielle „Superfoods“ als „Radikalfänger“ wirken, die freie Radikale neutralisieren, den Körper vor oxidativem Stress schützen und zu einem verminderten Krankheitsrisiko beitragen. Hört sich super an. Doch wer gleich den Geldbeutel zückt, um horrende Summen für einen kleinen Beutel Chia-Samen, Acai-Beeren oder Antioxidantien-Präparate auszugeben, sollte zuvor andere eventuelle „Baustellen“ abklappern.Nahrungsergänzungsmittel i.d.R. unnötig
Es ist wichtig zu wissen, dass wir tagtäglich freien Radikalen ausgesetzt sind (z.B. der UV-Strahlung der Sonne, Luftverschmutzung etc.) und uns solchen Situationen nicht immer entziehen können. Jedoch verfügen wir über ein körpereigenes Abwehrsystem, in welchem vor allem Radikalfänger antioxidativ wirksam werden. Im Abwehrsystem des Körpers wirken sowohl endogen gebildete Antioxidantien, als auch solche, die wir der Nahrung zuführen. Das Motto „viel hilft viel“ ist beim Thema Antioxidanten jedoch nicht zu empfehlen, da viele antioxidativ wirkende Substanzen weitere biologische Wirkungen besitzen, die bei Überversorgung zu unerwünschten Wirkungen führen können. Darüber hinaus fungieren einige ROS/RNS auch als wichtige endogene Mediatoren biologischer Prozesse. Daher sollte auf eine völlige Unterdrückung der Bildung bzw. Spiegel von ROS/RNS, sowie auf sog. „Megadosen“ von Antioxidantien verzichtet werden. In unserem Körper stellen mehrere hundert Gene ein sehr empfindliches Gleichgewicht zwischen freien Radikalen und deren Abwehrsystemen ein. Die Idee, mit irgendwelchen Präparaten den Regler ganz nach oben oder unten schieben zu können, ist sehr naiv. Laut Kommission des RKI sollte im Bezug auf eine „antioxidative Behandlung“ der Sicherheitsaspekt im Vordergrund stehen, zumal immer noch ungeklärt ist, welche ROS/RNS in welcher Konzentration und durch Eingriff in welche Regelkreise eine Schlüsselrolle bei Pathogenese der mit oxidativem Stress assoziierten Krankheiten spielen. An dieser Stelle habe folgende Empfehlung des Hohenheimer Konsensusgesprächs von 1995 weiterhin Gültigkeit, in der es heißt, dass:„[…] die Korrektur einer suboptimalen Antioxidanzienzufuhr bei Gesunden wie auch bei Risikogruppen nur dann eine echte präventive Maßnahme darstellt, wenn gleichzeitig eine Minderung der prooxidativen Risikofaktoren verwirklicht wird.“Eine Steigerung der Antioxidanszufuhr stellt laut den Autoren keine Kompensationsmaßnahme für einen „ungesunden Lebenswandel“ dar. Die Erhöhung der Aufnahme von Antioxidantien sei darüber hinaus nur dann sinnvoll, wenn die oxidative Balance trotz weitestgehender Verminderung der prooxidativen Faktoren nicht wiederhergestellt werden kann.
„Angereicherte Lebensmittel beziehungsweise Supplemente sind dann indiziert, wenn sich eine gezielte Ernährung nicht dauerhaft realisieren lässt.“Einer Zufuhr durch Ernährung gegenüber Supplementierung sei auch wegen anderer günstiger Effekte eindeutig der Vorzug zu geben. In einem ergänzenden Beitrag zum oben verlinkten Artikel von Prof. Dr. med. Konrad Biesalski heißt es hierzu:
„[…] dass in der Ernährung des Menschen Vitamindosierungen, wie sie durch Supplemente häufig unkritisch empfohlen werden, nicht vorkommen und somit in ihrer Langzeitwirkung nicht sicher zu kalkulieren sind. Aus diesen Gründen gehören Vitamin-Supplemente in die Apotheke und nicht für jedermann in jeder beliebigen Dosis in die Kaufhausregale.“Auch die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat die Studienlage zur Schutzfunktion von Antioxidantien geprüft. Wirft man einen Blick in das „EU Register on nutrition and health claims“ wird bei vielen Stoffen, die den Claim „Schutz vor oxidativem Schaden“, „Schutz vor oxidativem Stress“ oder „Schutz vor freien Radikalen“ enthalten, die Datenlage als nicht wissenschaftlich gesichert („non-authorised“) bezeichnet. Nur für wenige Nährstoffe, Substanzen, Lebensmittel oder Lebensmittel-Kategorien sind Aussagen, wie „Schutz vor oxidativem Stress“ oder gesundheitliche Zusammenhänge, wie „Schutz vor oxidativem Schaden“ zulässig. Die folgende Tabelle listet alle derzeit als „authorised“ bzw. „authorisiert“ gekennzeichneten Nährstoffe bzw. Lebensmittel auf:
Nährstoff/ Lebensmittel | Claim | Gesundheitlicher Zusammenhang |
---|---|---|
Kupfer | Kupfer trägt zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress bei | Schutz von DNA, Proteinen und Lipiden vor oxidativem Schaden |
Mangan | Mangan trägt zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress bei | Fettstoffwechsel |
Olivenöl-Polyphenole | Olivenöl-Polyphenole tragen zum Schutz der Blutfette vor oxidativem Stress bei | Schutz von LDL-Partikeln vor oxidativem Schaden |
Selen | Selen trägt zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress bei | Schutz von DNA, Proteinen und Lipiden vor oxidativem Schaden |
Vitamin C | Vitamin C trägt zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress bei | Schutz von DNA, Proteinen und Lipiden vor oxidativem Schaden |
Vitamin B2 (Riboflavin) | Riboflavin trägt zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress bei | Schutz von DNA, Proteinen und Lipiden vor oxidativem Schaden |
Vitamin E | Vitamin E trägt zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress bei | Schutz von DNA, Proteinen und Lipiden vor oxidativem Schaden |
Zink | Zink trägt zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress bei | Schutz von DNA, Proteinen und Lipiden vor oxidativem Schaden |
Superfoods & Co: Extra-Kosten für „Exoten-Bonus“

Exotische Superfoods sind nicht „besser“ als heimische Produkte, lassen sich aber zu „super“ Preisen „super“ vermarkten | © airborne77 / Fotolia
Überdosierung vermeiden
Es gibt wissenschaftliche Studien, die darauf hindeuten, dass Antioxidantien unter bestimmten Umständen auch als Prooxidans wirken können und somit gegenteilige, negative Effekte haben könnten. So haben z.B. Ascorbinsäure (Vitamin C), Vitamin E und Polyphenole unter bestimmten Begleitumständen (z.B. Schwermetallen) neben der antioxidativen, auch eine prooxidative Wirkung und erhöhen den oxidativen Stress. Auch hängt die Wirkung (antiooxidativ oder prooxidativ) einiger Antioxidantien wie Vitamin C von ihrer Dosis ab. Wechselwirkung mit biologischen Membranen und den anderen Co-Antioxidationsmolekülen, sowie Umwelteinflüsse (z.B. Sauerstoffspannung, Konzentration von Übergangsmetallen und deren Redox-Status) scheinen ebenfalls eine Rolle zu spielen. Ein systematisches Review und Meta-Analyse aus dem Jahr 2007 („Mortality in Randomized Trials of Antioxidant Supplements for Primary and Secondary Prevention“) fand keinen überzeugenden Beweise dafür, dass die Nahrungsergänzung mit Antioxidantien von Vorteil ist. Im Gegenteil: eine Therapie mit Beta-Carotin, Vitamin A und Vitamin E kann sogar zu einer erhöhten Mortalität bzw. Sterblichkeit führen. Die potenziellen Rollen von Vitamin C und Selen auf die Mortalität müssen noch weiter untersucht werden. Da eventuell gesundheitsschädliche Wirkungen bis dato nicht endgültig geklärt sind, gilt es eine Überdosierung zu vermeiden und die ergänzende Einnahme von Antioxidantien bzw. Vitaminen mit dem Arzt abzusprechen. Das Bundestinstitut für Risikobewertung (BfR) hat für Erwachsene folgende Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe vorgeschlagen:Vorgeschlagene Höchstmengen in Nahrungsergänzungsmitteln pro Tag | |
---|---|
Vitamin A | 400 µg (0,4 mg) |
Riboflavin (Vitamin B2) | 4,5 mg |
Vitamin C | 225 mg |
Vitamin E | 15 mg |
Beta-Carotin | 2 mg |
Mangan | Kein Zusatz von Mangan empfohlen |
Kupfer | Kein Zusatz von Kupfer empfohlen |
Sekundäre Pflanzenstoffe (Polyphenole, Flavanoide etc.) | liegen nicht vor |
Selen | 25-30 µg (0,025-0,03 mg) |
Zink | 2,25 mg |
Quellen: Bundesinstitut ür Risikobewertung (BfR) Verwendung von Vitaminen und Mineralstoffen in Lebensmitteln – Toxikologische und ern‰hrungsphysiologische Aspekte (Teil I) und Teil II als PDF) |
„Nahrungsergänzungsmittel sind für gesunde Personen, die sich normal ernähren, in der Regel überflüssig. Bei ausgewogener Ernährung bekommt der Körper alle Nährstoffe, die er braucht. Auf der anderen Seite kann eine einseitige, unausgewogene Ernährungsweise nicht durch Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ausgeglichen werden. Nur in bestimmten Fällen ist eine gezielte Ergänzung der Nahrung mit einzelnen Nährstoffen sinnvoll […].“Nahrungsergänzungsmittel sind deshalb in den meisten Fällen überflüssig. Als Ausnahmen nennt das BfR eine einseitige oder unzureichende Ernährung die zu eine mangelnde Aufnahme an essentiellen Nährstoffen zur Folge hat, den erhöhten Bedarf an bestimmten Nährstoffen während der Schwangerschaft und Stillzeit oder eine ungenügende Versorgung mit mit essentiellen Nährstoffen bei älteren Menschen (z.B. als Folge von Kau- oder Schluckbeschwerden, sowie Appetitverlust). Auch chronisch Kranke können einen erhöhten Bedarf an essentiellen Nährstoffen aufweisen, sodass eine Nahrungsergänzung nötig oder sinnvoll sein kann. Sollte eine solche Nahrungsergänzung jedoch als zusätzliche Maßnahme bei der Behandlung oder Heilung von Krankheiten angewandt werden, sollte dies in jedem Fall unter ärztlicher Kontrolle erfolgen. Daten über die Nährstoffzufuhr (siehe Nationale Verzehrstudie II, PDF) zeigen, dass die Zufuhr der meisten Vitamine den Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr entspricht. Die Zufuhr der Mineralstoffe Natrium, Kalium, Magnesium und Zink liegt sogar über den Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr. Nur einige wenige Vitamine und Mineralstoffe (Vitamin D, Jod, Calcium und Eisen) werden in Deutschland von manchen Bevölkerungsgruppen nicht entsprechend den Zufuhrempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) aufgenommen. Das BfR weist allerdings darauf hin, dass dies nicht generell mit einer Unterversorgung oder gar einem Mangel gleichzusetzen ist. In Einzelfällen mag eine Nahrungsergänzung durchaus sinnvoll, jedoch:
„bleibt die beste Ernährungsstrategie eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung mit viel Obst und Gemüse. Nahrungsergänzungsmittel sind dafür kein gleichwertiger Ersatz.“Auch hat das BfR hat in der Vergangenheit umfangreich zu möglichen Risiken durch Nahrungsergänzungsmittel Stellung genommen und die Verbraucher über Probleme informiert, die mit dem Verzehr solcher Produkte verbunden sein können, darunter auch zu möglichen Antioxidantien, wie isolierten Isoflavonen, Beta-Carotin, Selenverbindungen oder dem Coenzym Q10. In einem Artikel der Apotheken-Umschau, welcher u.a. ebenfalls vor einer Überdosierung mit Vitaminen warnt, wird in einem Kommentar kritisiert, dass es keine krankheitsbezogenen Richtwerte für einzelne Krankheiten gibt: „Die These, dass eine „gesunde Ernährung“ vor Mangelerscheinungen schützen kann, gilt höchstens für gesunde Menschen. Kranke Menschen, wie Krebspatienten, brauchen zur Stärkung des Immunsystems zusätzliche Vitamine, aber in welchem Umfang kann uns niemand sagen.“ In der Tat ist dies ein Aspekt, den man berücksichtigen sollte, da z.B. Krebspatienten auf der einen Seite Antioxidantien als Wunderwaffen gegen Krebs angepriesen bekommen, auf der anderen Seite jedoch hören, dass die zusätzliche Einnahme von synthetisch hergestellten Vitaminen/ Antioxidantien das Krebswachstum sogar anregen könnte. Das dies für Verwirrung bei den „ohnehin gestressten“ Krebspatienten führt, ist nur allzu verständlich. Eine Art „Wundermittel“ gegen die gesundheitlichen Gefahren, die von oxidativem Stress ausgehen, scheint es laut Kommission der RKI dennoch nicht zu geben:
„Derzeit kann kein spezifisches Antioxidans oder eine definierte Mischung bekannter Antioxidantien identifiziert werden, welches bzw. welche die Schwäche des ganzen Antioxidantien-Netzwerkes auf Dauer kompensieren könnte.“Laut DGE konnte in Interventionsstudien mit isolierten essenziellen Nährstoffen i.d.R. keine Senkung eines Krankheitsrisikos nachgewiesen werden. Auch war bei Zufuhr hoher Dosen an bestimmten Antioxidantien das Risiko erhöht, früher zu sterben. Die DGE empfiehlt daher, die Zufuhr von Gemüse- und Obst-spezifischen sekundären Pflanzenstoffen über die Ernährung sicherzustellen. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, prooxidative Risikofaktoren zu vermeiden oder den oxidativen Stress durch eine gesunde Ernährung zu reduzieren.
Was man selbst tun kann

Eine gesunde Ernährung unter Einbeziehung von mit an antioxidativ wirksamen Stoffen reichen Lebensmitteln gilt als effektive Vorbeugung vor oxidativem Stress | © rogerphoto / Fotolia
„Möglicherweise ist für die Wirkung der sekundären Pflanzenstoffe auch die Wirkung im Verbund notwendig. Letztlich bleibt es bei der Aussage, dass der vermehrte Konsum von pflanzlichen Lebensmitteln einen nachweisbaren präventiven Effekt besitzt.“Um möglichst viel von dem breiten Spektrum an sekundären Pflanzenstoffen aufzunehmen, empfiehlt die DGE den vielfältigen Verzehr von Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst, Nüssen, Samen, Kartoffeln und verschiedenen Vollkornprodukten. Einige Lebensmittel-Quellen für die Aufnahme natürlicher Antioxidantien sind:
Natürliches Antioxidans | Vorkommen in Lebensmitteln |
Kupfer | Speisekleie, Weizenkeime, getrocknete Aprikosen, Pfifferlinge, Sojabohnen, Käse (u.a. Emmentaler, Appenteller und Gruyère), Garnelen, Leber (Lamm, Kalb, Rind, Schwein), Nüsse und Samen (u.a. Kokosnuss, Cashewkerne und Kürbiskerne), Kakaopulver, Schokolade, schwarzer Tee |
Mangan | Getreide (vor allem Weizenkeime, Speisekleie, Haferflocken und Dinkel), Heidelbeeren, Hülsenfrüchte (u.a. Soja, Kichererbsen, weiße Bohnen), Miesmuscheln, Nüsse und Samen (vor allem Mohnsamen, Haselnüsse, Leinsamen und Mandeln), Kakaopulver, schwarzer Tee |
Selen | Steinpilze, Fische und Meerestiere (u.a. Hummer, Sardinen, Miesmuscheln, Hering und Seehecht), Eierteignudeln, Hülsenfrüchte (Sojabohnen, Mungbohnen, Linsen, weiße Bohnen), Kokosnüsse, Paranüsse, Getreide (u.a. Mais, Reis und Haferflocken), Käse (vor allem Emmentaler und Chester/Cheddar), Hühnerleber, Nieren (Kalb, Rind), Leber (Huhn, Kalb, Rind, Schwein), Hühnerfleisch, Schweinefleisch, Kaninchen, Eier |
Vitamin B2 | Getreide und Getreideprodukte, Pilze, Hülsenfrüchte, Milch und Milchprodukte, Fisch und Meerestieren, Geflügel, Fleisch, Eier |
Vitamin C | Obst (vor allem Acerola, Apfelsinen, Clementinen, Cranberrys, Grapefruit, Guave, Hagebutten, Johannisbeeren), Kiwi, Papaya, Sanddornbeeren, Zitronen), Gemüse (vor allem Brennnessel, Brokkoli, Grünkohl, Meerrettich, Paprika, Rosenkohl, Sauerampfer), Kräuter (vor allem Petersilie, Bärlauch, Brunnenkresse), Kaviar, Innereien, Bockwurst, einige Fleisch- und Wurstwaren (u.a. Bockwurst, Leberkäse, Fleischwurst, Geflügelwurst, Jagdwurst, Knackwurst), Maronen, Gummibärchen |
Vitamin E | Pflanzliche Öle und Fette (vor allem Weizenkeimöl, Arganöl, Baumwollsamenöl, Safloröl/ Distelöl), Samen und Nüsse (vor allem Haselnüsse, Mandeln, Sonnenblumenkerne, Pinienkerne) |
Zink | Austern, Leber (Lamm, Kalb, Rind, Schwein), Rindfleisch, Getreide und Getreideprodukte (vor allem Weizenkeime, Speisekleie, Haferflocken), Käse (u.a. Edamer und Emmentaler), Sojamehl, Sojabohnen, Mohnsamen, Kürbiskerne, Kakaopulver |
Sonstiges | Polyphenole in Olivenöl |
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